Bunte Aufmerksamkeit in Streifen

Wir hätten es schaffen können! Wir wären die ersten in Deutschland! Eine langersehnte Lösung zur Verkehrsreglung von Kindern selbst entwickelt. Ein farbenfrohes Zeichen für mehr Schulwegsicherheit wäre von Grundschüler:innen in ihrem Ortsteil gesetzt worden.

Natürlich ist ein farbiger Zebrastreifen auf Straßen und in Fußgängerzonen in der Welt nicht neu. Bereits 2012 wurden Fußgängerübergänge in Regenbogenfarben in vielen ausländischen Städten sowie an mehr als dreißig Orten in den Niederlanden in öffentlichen Bereichen angebracht. Ein sogenannter Regenbogenpfad oder Gaybra Crossing, ist ein Symbol für Aufbruch, Veränderung, Frieden und ein Zeichen von Toleranz und Weltoffenheit. Meist soll auf die Vielfalt und Akzeptanz von Personen aus der Queere Community  aufmerksam gemacht werden und ist meist temporär als Teil eines LGBT-Ereignisses zu sehen.

Der Fußgängerübergang in Regenbogenfarben war auch ein anonymer Protest gegen das russische Verbot von Homo-„Propaganda“ und wurde  2013 vor mehreren russischen Botschaften in den skandinavischen Hauptstädten angebracht.
2013 war es in Köln noch eine schwere Straftat, weiße Zebrastreifen mit Farbe zu bemalen. In dieser Stadt wurde aber 2021 diese Aktion mit anderen Vorzeichen diskutiert.
Bereits 2019 dienten verschiedene Aktionen in Deutschland dazu, an fünfzig Jahre CSD zu erinnern. Ende Mai  wurden  in Hamburg in einer Tempo 30 Zone fünf Markierungen offiziell angebracht. Bereits im November desselben Jahres setzte das Bielefelder Amt für Verkehr rasch die Idee eines Politikers für zwei Zebrastreifen in einem für Autofahrer gesperrten Stadtteil um. Eine ganz andere Intention hatte der bulgarische Künstler Christo Guelov  bei seinen FunnyCrosses in Madrid 2015. Er brachte vor Schulen zahlreiche Zebrastreifen in kräftigen Farben und markanten geometrische Formen an, um die einfachen weißen Streifen in ein spielerisches, interaktives Kunstwerk zu verwandeln. Die visuelle Wirkung  seiner Serie der Straßenkunst wollte er nutzen, um die Konzentration von Verkehrsteilnehmer:innen zu verbessern. Dieses Ziel verfolgten wir gleichermaßen!

Die Aktion der Park- Grundschule im Weimarer Stadtteil Ehringsdorf startete am Nachmittag des  22.Mai 2019, initiiert von der Kulturagentin und umgesetzt mit der Künstlerin Isabelle Weber. Der Zebrastreifen war ein Teil eines langen Prozesses zur Straßenverkehrsumgestaltung in der Nähe der Schule, der bis heute noch lösungsoffen ist. Sehr lange beschäftigen sich die Kinder damit, wie sie sicher die Straße überqueren können, um vom Bus zum Schulgebäude zu kommen. Dazu gab es nicht nur zahlreiche Ideen, auch Gespräche von mehreren Akteuren der Schulgemeinschaft  mit zuständigen Behörden. So wirkte dieses partizipatorische Projekt wohl eher irritierend und die dazugehörende Aktion wohl störend. Es braucht einen Überweg zur Sicherheit der Fußgänger:innen und der bunter Zebrastreifen sorgt nun mal für Aufmerksamkeit. Doch dieser entspricht nicht der STVO und gefährdet den Verkehr. Wir hatten eine andere Wahrnehmung. Autofahrer:innen hielten an, wertschätzten unsere Arbeit und freuten sich über ein solches Kunstwerk im Ort.  Es hätte der erste Zebrastreifen von Kindern für Kinder in Deutschland werden können, der nicht nur auf die Vielfalt, sondern auf das Bedürfnis für mehr Sicherheit der Jüngeren hinweisen würde.  So blieb es eine künstlerische Intervention mit großer Sichtbarkeit in der Presse.

 

Diese Öffentlichkeit wurde den Akteur:innen dann wohl zum Verhängnis, denn als der Oberbürgermeister am nächsten Morgen die Zeitung las, hat er sich bestimmt an seinem Kaffee verschluckt und beschloss sofort die Kehrmaschine loszuschicken. Vielleicht erklärt er den weinenden Mädchen und Jungen irgendwann, warum es bis heute keinen sicheren Schulweg gibt.

In der Präsentation entschieden sich die Kinder für eine Referenz an das Foto der Beatles auf einen Zebrastreifen 1969 in der Londoner Abbey Road. Dieser Übergang steht heute unter Denkmalschutz und kann live beobachtet werden.