Es ist Freitagmorgen und die Aula einer Weimarer Grundschule ist voll mit aufgeregten Kindern. Väter halten Gitarrenrucksäcke, Mütter Notenmappen, Großeltern die Videokamera und die Kids den Atem an. Mit dem „Gemeinsamen Singen“ wird auf die bevorstehende Ferienzeit eingestimmt. Die zur Jahreszeit passende Musikstücke tragen die über 200 Schülerinnen und Schülern mit so viel Begeisterung vor, dass es mir Gänsehaut bereitet.Die Grundschule „Louis Fürnberg“ ist eine besondere Schule. Sie ist eine von 45 in Thüringen und über 400 deutschlandweit zertifizierten Musikalischen Grundschulen. Seit 2011 fördert die Bertelsmann Stiftung dieses Schulentwicklungskonzept in sechs Bundesländern, welches vorher in Hessen als Pilotprojekt erprobt wurde. Bis 2020 wird die Stiftung die Akteure in die dritte Staffel begleiten den Strukturaufbau vor Ort finanziell unterstützen. Ab der zweiten Staffel wurden die gemeinsamen Fortbildungen für Lehrer und Erzieher zur Bildung von Tandems an den jeweiligen Schulen als ein besonderes Merkmal des Projektes in Thüringen entwickelt. Dabei arbeiten die Musikfachberater des Unterstützersystems des Thillms mit den Landes- und Regionalkoordinatoren intensiver zusammen. Ziel ist es, einen regionalen Arbeitskreis zu stärken, der pro Halbjahr eine Veranstaltung für alle Beteiligten durchführt. Dabei geht es um den Austausch der im Projekt erworbene Kompetenzen und Ergebnisse der Schulentwicklung nachzuweisen. Das entstandene Netzwerk plant Fachtagungen und unterstützt selbstständig sogenannte „Nachrückerschulen“.
Der Musikkoordinator der Grundschule, Matthias Olbrich, erklärt mir die Leitidee des Projekts anhand der 4 M’s. „Mehr Musik vermittelt von Mehr Beteiligten in Mehr Fächern und pädagogischen Angeboten und zu Mehr Gelegenheiten.“ Unter diesem Motto entwickelt jede Schule ihr eigenes Schulprofil und entscheidet auf der Basis der eigenen Voraussetzungen und Entwicklungsziele, welche inhaltlichen Schwerpunkte sie setzen will. Was das für seine eigene Schule heißt, erklärt der erfahrene Musiklehrer so:
Mich interessiert, wie sich seine Erfahrungen in der Musikvermittlung von Kindern fest in eine Schulstruktur verankern lassen. Obwohl die Schulleitung voll hinter dem Konzept der Musikalischen Grundschule steht und in der Stundenplanung alles möglich macht, braucht es doch Ressourcen, um ein eigenes Schulprofil zu evaluieren und zu schärfen. Matthias Olbrich hat neben seinen Klassenleiteraufgaben für die Koordination und Durchführung von musikalischen Bausteinen eine Stunde in der Woche. Das ist eindeutig zu wenig, um dem gesteigerten Qualitätsanspruch im Schulalltag gerecht zu werden. Auch wenn es nicht um die Quantität von musikalischen Events geht, ist der jährliche Aktionsplan ein wichtiges Instrument in der Schulentwicklung. Dieses gilt es mit einer Steuergruppe zu entwickeln und umzusetzen.So wird für mich erneut die Diskrepanz zwischen dem Auftrag der Entwicklung von Schule und der Machbarkeit vor Ort deutlich. Stiftungen begleiten fachlich die Modellphasen und fördern den Transfer. Doch wie kann dann die fast zehnjährige Arbeit bedarfsorientiert und den Bedingungen in den jeweiligen Bundesländern angepasst werden? Wie werden nachhaltig Strukturen aufgebaut und fest in ein Schulsystem verankert? Ich sehe ein qualitativ hochwertiges und evaluiertes Projekt der kulturellen Bildung, was am Ende aufgrund von mangelnden Ressourcen wie Zeit, Geld und Personal und einer differenzierten Zielorientierung bei politischen Schulentwicklungsfragen in unserem Bundesland vielleicht sang und klanglos verloren geht. Ist das Lernen durch, mit und in der Musik nicht eine Grundvoraussetzung für Einwicklung eines jungen Menschen? Mögen noch viele Grundschüler in Thüringen singen und musizieren.
Ich genieße hier noch in der Aula den Hörgenuss.