Dicke Regenwolken hängen an diesem Samstagmorgen über den Hessischen Bergen. Ich habe mich früh auf den Weg nach Windhausen gemacht, eins von denen, das mitten in Deutschland liegt. Rasch ist man über die Autobahn dort, doch bis man eines der sieben Orte der Gemeinde Feldatal erreicht, benutzt man Straßen, die so breit sind, wie Radwege und der Belag deutlich von landwirtschaftlichen Fahrzeugen geprägt ist. Ich bin heute eingeladen, bei ‚Brot und Salz‘ Kontakte zu knüpfen.
Auf dem Geis‘schen Hof empfangen mich Katja, Jochen und Gaby mit ihrer Mutter Hilde in der Waschküche. Wenn ich frage, was wir hier machen, dann sagt mir meine Kommilitonin Gaby: „Wir backen heute Brot zusammen!“ Die Betonung liegt dabei auf ZUSAMMEN, denn das Brot ist Mittel zum Zweck, nämlich um sich kennen zu lernen. Also versuche ich herauszufinden, wer hier alles noch da ist. Bruder Physiker, Schwester Biologin, Nachbar von gegenüber, Leiter einer Lernwerkstatt, der von nebenan, Journalist, eine Architektin aus Frankfurt, ein Designer aus Barcelona, ein Sternengucker und …. Es ist ein ständiges Rein und Raus, denn es geht erst mal um das tägliche Brot.
Eines der beiden ca. 200jährigen Backhäuser des Ortes liegt direkt neben dem Wohnhaus der Geises. Hier wird sehr selten noch das Feuer entfacht. Jochen übernimmt heute das Anheizen und wird vom erfahrenem Feuercoach Rudolf in einem mir unverständlichen Dialekt unterwiesen.
Die Geschichten, die erzählt werden, sind aus einer anderen Zeit, als die Geschwister noch klein waren, der alte Bauer noch lebte und der Hof noch nicht abgebrannt war. Und als das Backhaus nie kalt wurde; man nur mit dem hölzernen Brotspiel wusste, wann man selber dran war. Es braucht Geduld und das richtige Gefühl. Solange werden wie früher Neuigkeiten ausgetauscht.
Die riesige Knetmaschine wurde extra dafür in die Waschküche transportiert und hat den Sauerteig schon mehrere Stunden bearbeitet. Nun werden über 30 Leiber „ausgebrochen“, auf langen, bemehlten Holzbohlen transportiert. Danach wird die Glut entfernt und Fladen in das Ofeninnere „gestoßen“. Der restliche Teig wird zu Salzekuchen verarbeitet, der nur wenige Minuten backt. Während das Brot „ne Stund“ braucht, wird bei einem Rauscher der herzhafte Kuchen serviert. Und siehe da, es sind nie genug Stühle für all die Leute da, die vorbeikommen, um zu schauen und zu staunen. Das Dorf ist mobil, wirklich interessiert, was da passiert. Oder einfach, weil was passiert – da neben der Bushaltestelle.
Wenn es aber nur um das Brot gehen würde, wäre es kein Netzwerktreffen. Am Nachmittag sind alle Interessierten in ein Gemeinschaftshaus eingeladen zu einem Vortrag, in dem Gaby Geis ihr Konzept vom kulturellen Lernen für ein aktives Kulturnetzwerk nahebringen möchte. Lange hat sie sich ein Konzept für „vulkanisches Lernen“, aufgrund der Herausforderungen in der Gesellschaft einerseits und der strukturschwachen Region anderseits überlegt. Sie spricht von möglichen Ansatzpunkten für eine Kulturentwicklung und möchte die Natur dafür in den Mittelpunkt stellen. Denn die größte zusammenhängende Vulkanlandschaft Europas liegt direkt vor der Haustür. Dafür hat sie ein Netzwerkkonzept für potentielle Lernorte entwickelt und sucht nach Gleichgesinnten und Kulturakteuren, die Moderatoren für ihre Region sein wollen. Mit Temperament und Feuer hat sie den Funken überspringen lassen und der Vulkan wird wieder aktiv werden! Mitstreiter sind gewonnen. Jetzt gilt es, konkret zu werden und Bausteine zu entwickeln, die man möglichen Partnern vorstellt.
Dafür berate ich sie später bei einem Naturspaziergang in einer traumhaften und doch unbekannten Landschaft mit der Hündin Lotte.