Daimen ohne Vermittlung?

Der erfolgreiche britische Multimillionär Daimen Hirst ist nach fast 10 Jahren zurück auf dem Kunstmarkt. Für sein Comeback ist er mit ungefähr zweihundert Objekten nach Venedig gereist, um uns dort angeblich im Meer versunkene Plastiken zu zeigen. Aber eigentlich präsentiert er eine Täuschung. Plötzlich steht man*frau vor einer korallenverkrusten Mickey Mouse Figur, einem Spielroboter oder Balu der Bär, aber aus Bronze. Was soll das und braucht er für sein Spiel mit Wahrheit eine Kunstvermittlung?

Im Superkunstjahr zeigt der aufmerksamkeitshungrige Brite in den größten Ausstellungshäusern am Canal Grande mal einen 18 Meter großer Bronze-Torso, der aussieht, also ob die Figur des „Jahrhundertschritts“ von Wolfgang Mattheuer geborgen wurde. Unmengen von winzigen Münzen und Schmuckstücke aus einer Schatzkiste und zahlreiche wundersame Skulpturen. Er hat in der Ausstellung „Treasures from the Wreck of the Unbelievable“ Mythen, antike Geschichten und historische Kunst des Mittelmeerraums zitiert. Ein Märchen von einem reich gewordenen Sklaven, der seine Kunstwerke verschiffte, die dann sanken und über 2000 Jahren auf dem Meeresboden vor der Küste von Ostafrika schlummerten. Jetzt wurden diese mit Hilfe von Daimen Hirst geborgen. Haha!? Die Geschichte wird in den beiden Museen Palazzo Grassi und Punta della Dogana mit Filmen und Bildern unterstützt. Erst auf den zweiten Blick bemerkt der Betrachter den Fake! Ich bin ihm auch auf den Leim gegangen, obwohl ich vorgewarnt war.
Daimen Hirst wurde durch provozierende Plastiken bekannt, die sich mit Themen Leben und Tod auseinandersetzten. Er stellt damit die aktuell teuersten Arbeiten zeitgenössischer Kunst dar. In Management-Kursen dient Hirst als ein erfolgreiches Fallbeispiel für „strategische Innovationen“, der sich „neue Vertriebskanäle“ und neue Kundengruppen erschließt: „Hirst vertraute nicht auf traditionelle Kunstliebhaber, sondern suchte sich gezielt arabische Ölscheichs und russische Oligarchen, angelsächsische Hedge-Fonds-Manager als Abnehmer“. Er kennt seine Zielgruppe genau!
Ist das Kunst oder kann das weg? Die Kunst ist schon weg, denn schon über die Hälfe der Objekte sind verkauft. Ist das dann, was wir hier in Venedig sehen wirklich eine Kunstaustellung? Eher eine Erzählwerkstatt oder eine Verkaufsmesse.
Trotz aller Einwände in Sachen Originalität, Faktentreue und Geschmack, was uns hier der „letzte Kunstgott“ zeigt, ist unglaublich. Der „banale Radaukünstler“ hat es aber vor allem geschafft, uns zu zeigen, wie man eine solche Ausstellung finanziell und organisatorisch stemmen kann. Verpönt oder fasziniert? Allein das ist schon ein Kunststück. Man ist von ihm begeistert oder eben überhaupt nicht. Menschen um mich, die die Ausstellung gesehen haben, sprechen von Gigantomanie und grenzwertiger Wahnsinn des Künstlers, sind aber gleichzeitig von der handwerklichen Ausführung staunend angetan. Ich beobachte einen als Venezianer verkleideten älteren Deutschen, der sagt zur größten Figur im Palazzo: „Wenn Krieg wäre, müsste er den Mist alles einschmelzen.“ Dabei weiß er gar nicht, dass der große Dämon nur aus künstlich Material mit patinierte Metalloberfläche ist, die Antike simulieren. Wahrheit oder Lüge? Er macht alles für den! Kunstmarkt. Er braucht keine Agenten, keinen Galeristen und keine Kunstvermittlung, eher einen guten Finanzbuchhalter. Er weiß was der Kunde will. Obwohl die Fälschung in der Kunstgeschichte nichts Neues ist, macht es die Kunst erneut möglich. Ohne Vermittlung finde ich früher oder später selber heraus, dass ich geblendet bin. Aber ich habe meinen Frieden damit. In Zeiten der Täuschung als Kritik der Institution der Kunst lebe der FAKE als selbstverständlicher Bestandteil unserer jetzigen Gesellschaft.